Forschung zur Lauftherapie

Ich habe mich an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, Göttingen, Holzminden (HAWK) zur Multimodalen Lauftherapeutin weitergebildet, die europaweit erste akademische und hochschulzertifizierte Weiterbildung. In diesem Zuge habe ich empirische Studie zur Wirkung der Multimodalen Lauftherapie auf das prämenstruelle Syndrom durchgeführt. Und die Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Plakat vorgestellt.

Informationen über das Projekt "Aktiv PMS begegnen"

Etwa 75% der Frauen im gebärfähigen Alter berichten von prämenstruellen Veränderungen in der
Lutealphase, wobei davon mindestens eine unangenehmer Art ist (vgl. Witten et al. (2002), zit. nach Kues, S. 4.). Wenn mit den Veränderungen ein klarer Leidensdruck einhergeht, ist von PMS bzw. PMDS zu sprechen (Vgl. Campagne & Campagne (2007), zit. nach Kues, S. 4.) PMS ist ein komplexes Beschwerdebild, das in der zweiten Zyklusphase auftritt und mit dem Einsetzen der Menstruation abklingt. Während einige Frauen kaum Veränderungen vor bzw. während der Regelblutung erleben, leiden andere sehr. Somatische Symptome sind u.a. Migräne, Mastodynie, Völlegefühl, Ödemneigung, Kopf- und Rückenschmerzen, Durchfall, Unterbauchschmerzen, Akne, Müdigkeit oder Erschöpfung; psychische Symptome sind Antriebslosigkeit, Angstzustände, Stimmungsschwankungen, eine erhöhte Reizbarkeit, Affektlabilität, Heißhungerattacken und Depressivität, um einige aufzulisten.

Einige Frauen, etwa 5%, leiden unter einer schweren PMS-Form, der prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS), (vgl. Gätje (2015), S. 121-122) in ICD-11 als gynäkologische Erkrankung aufgelistet vgl. Psychotherapeutenjournal Ausgabe 02/2022, S. 137-147). PMDS geht unter anderem mit Affektlabilität, Kontrollverlust, Aggressivität und einem hohen psychischen Leidendruck einher. Betroffene fühlen sich teilweise nicht mehr wie sie selbst und der psychische Leidensdruck kann sich für Betroffene wie einer klinische Depression anfühlen. Die Lebensqualität der Betroffenen einschließlich sozialer Beziehungen können erheblich darunter leiden.

Ich selbst bin von PMDS betroffen, was ich erst im Verlauf der Jahre durch die intensive Auseinandersetzung mit meinem Körper verstanden habe. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es sein kann, Hilfe zu finden. Und ich lerne immer wieder Menschen kennen, die eine ähnliche Geschichte und einen ähnlichen Leidensweg hinter sich haben. Hinzu kommt, dass bislang kein ganzheitlicher Behandlungsansatz existiert, um PMS bzw. PMDS zu begegnen. Da ich weiß, dass Lauftherapie bei Angststörungen und Depressionen helfen kann, habe ich mich bewusst entschieden, meinen Fokus schon in meiner Weiterbildung auf prämenstruelle Veränderungen zu legen. 

Aus diesen Gründen möchte ich Betroffene und Menschen, die vermuten, dass sie unter PMS oder PMDS leiden, auf ihrem Weg unterstützen.

In meinem Projekt „Aktiv PMS begegnen“ habe ich empirisch untersucht, inwieweit die Teilnahme an der Multimodalen Lauftherapie verbunden sich auf das psychische und körperliche Wohlbefinden der Teilnehmenden auswirkt.

Im Vorfeld fand online eine Infoveranstaltung statt, in der die TN über Studienkontext und Organisatorisches aufgeklärt wurden. Der Laufkurs startete am 28.02.2022 (Laufeinheit 1) und endete am 05.05.2022 (Laufeinheit 16). Treffpunkt war die Bibliothek der Erziehungs- und Sportwissenschaften der Universität Leipzig. Die Gruppe traf sich montags und freitags, Treffzeit war 17.15 Uhr, wobei der Kurs bis etwa 18.45 Uhr dauerte inklusive Ankunft und Ausklang vor und nach den Laufeinheiten. Wir liefen über einen Zeitraum von acht Wochen zwei Einheiten pro Woche auf Grundlage eines evaluierten Laufmanuals. Zusätzlich vermittelte ich psychoedukative Informationen über prämenstruelle Veränderungen auf Grundlage wissenschaftlicher Literatur zu prämenstruellen Veränderungen.

Als besonders inspirierend und spannend erwies sich eine Doktorarbeit einer Pychologin, welche sich kritisch mit der Pathologisierung des Menstruationszyklus auseinandersetzt und neue Ansätze der Diagnostik und Behandlung vorstellt. Darin heißt es: „Ob positive Veränderungen berichtet werden, scheint maßgeblich vom Wissen über die Existenz positiver prämenstrueller Veränderungen abhängig zu sein.“ (Vgl. Kues 2015, S. 23)
Die Autorin spricht sich folglich für eine umfassende Aufklärung über positive und negative prämenstruelle Veränderungen der Betroffenen und Forschung zum Einfluss dieser Informationen aus. Bei Interesse können Sie die komplette Arbeit online lesen: https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2016/0061/pdf/djk.pdf.

Die Probandinnen hatten zusätzlich zu den Lauftherapie-Einheiten umfassende Dokumentationsaufgaben. Die Dokumentation durch Laufmemos, Lauftagebücher und Lauf-Feedback ermöglichte sowohl eine prozedurale Reflexion als auch eine qualitative Evaluation des Projekts. Ferner war das Rezipieren der Feedbacks eine Grundlage für eine Auseinandersetzung mit der Kursgestaltung, den Bedürfnissen und Wünschen der Teilnehmenden. Die Memos und Feedback-Bögen ermöglichten u.a., wiederkehrende Ge

Zusätzlich absolvierten wir im Rahmen der Lauftherapie-Einheiten kurze Achtsamkeits- und Aktivierungsübungen, Dehnungsübungen, Gesprächsrunden und Reflexionsgespräche. Des Weiteren füllten die Teilnehmenden ein mehrseitiges Screening zu ihren prämenstruellen Veränderungen aus. Dieses Screening erfolgte mittel Retest-Methode zu den drei Messpunkten Anfang, Halbzeit und nach Abschluss der Lauftherapie. Die gesammelten Daten wurden am Ende unter qualitativen als auch quantitativen Gesichtspunkten analysiert. Die Befunden wurden in einer wissenschaftlichen Arbeit sowie einem Forschungsposter dargelegt.

Die Erhebung prämenstrueller Veränderungen erfolgte mittels Retest-Methode zu drei Messzeitpunkten des Projekts (Anfang/März, Mitte/April, Abschluss/Mai) anhand des „Retrospektiven Screenings positiver und negativer prämenstrueller Veränderungen“(RSPV) (Vgl. Kues (2015). Prämenstruelle Veränderungen – Krankheitswertig? Beeinträchtigend? Alltäglich? Positiv? Entwicklung und Optimierung neuer Ansätze zur Diagnostik und Behandlung, S. 134.).

Das RSPV listet rund 50 Items (Aussagen) zu körperlichen und psychosozialen Veränderungen in der Phase vor Einsetzen der Menstruation und drei Aussagen zur Belastung durch PMS im Berufs-und Sozialleben. Die Teilnehmenden können jedes Item von 0 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft stark zu) bemessen. Für die Planung und Durchführung des Projektes orientierte sich die Forscherin an der bereits genannten Dissertation von J. N. Kues. Demnach sollen Frauen vor dem  Beantworten des Screenings einen Infotext über prämenstruelle Veränderungen lesen, was die Forscherin durch einen Kurzvortrag und Verweis auf Zitate der Dissertation realisierte, die Quelle stand allen vor dem Kurs zur Verfügung.

Ferner wurde im ersten Screening ihr Wissen zu positiven prämenstruellen Veränderungen erhoben und was sie diesbezüglich empfinden. Ferner sollten die Probandinnen für dieses Studienprojekt ein Zyklustagebuch führen, in das Veränderung, Blutungstage und eigene Beobachtungen kamen. Die Stärke der Beschwerden war durch Punkte zu kennzeichnen (kleiner Punkt=leicht; mittlerer Kreis=mittelstark; groß=stark).

Erstens untersuchte ich den Einfluss der Multimodalen Lauftherapie (MML) auf das psychische Wohlbefinden. Der Aspekt „psychisches Wohlbefinden“ umfasste 16 Items wie „Ich achte mehr auf meine Bedürfnisse“ oder „Ich habe mehr Antrieb und Energie“. Die Skala umfasste Punktwerte von 0-3, wobei 0=trifft nicht zu; 1=trifft kaum zu; 2=trifft mäßig zu; 3=trifft stark zu. Hohe Werte zeigen ein hohes Wohlbefinden an. Das psychische Wohlbefinden der Gruppe lag zu Beginn der MML im März bei M = 0.67. Zum zweiten Messpunkt im April hatte die Gruppe ein Wohlbefinden von M = 1.56. Nach der MML im Mai betrug das mittlere Wohlbefinden M = 1.86.

Zweitens untersuchte ich das körperliche Wohlbefinden der Gruppe im Verlauf der MML. Die prämenstruelle Symptomatik lag zu Beginn der MML im März bei M = 2.11 (Range: 0-3). Zum zweiten Messzeitpunkt im April hatte die Gruppe ein körperliches Wohlbefinden von M = 1.41. Nach der MML im Mai berichtete hatte die Gruppe ein körperliches Wohlbefinden von M = 0.93. Die Daten zeigen also, dass sich das körperliche Wohlbefinden der Gruppe im Verlauf der MML verbesserte, prämenstruelle Beschwerden abnahmen.

Drittens wurde die Wirkung auf das Berufsleben untersucht. Exemplarisch sei der Verlauf bei einer Lehrkraft im Vorbereitungsdienst (Referendariat) dargestellt, welche berufsbedingt  starken inneren als auch äußerlichen Stressoren ausgesetzt war (permanenter Prüfungs- und Bewertungsdruck, Schlafmangel, coronabedingte schulinterne Veränderungen, mehrere Stunden Pendeln im öffentlichen Nahverkehr). Zu Beginn gab die Person eine Beeinträchtigung M=3.00 an. Nach Abschluss lag die Beeinträchtigung bei M=0.00.

Eine weitere Testperson ging einem Job im Einhelhandel nach, der ebenfalls als psychischisch belastend beschrieben wurde. Zu Beginn gab die Person eine Beeinträchtigung von M=3.00 an und nach Abschluss der MML von M=2.00. Die durchschnittliche Beeinträchtigung durch PMS im Berufsleben lag somit zu Beginn bei M = 3.00, was eine starke Belastung bedeutet, und nach Abschluss bei M = 1.00, was kaum Beeinträchtigung bedeutet. Die Daten liefern einen Hinweis darauf, dass sich die Beeinträchtigung durch PMS im Berufsleben im Verlauf der MML verbesserte.

Insgesamt ist erkennbar, dass sich das psychische Wohlbefinden der Gruppe zwischen Messzeitpunkt 1 und 3 mehr als verdoppelte. Der Aspekt „Körperliche Gesundheit“ setzt sich aus 9 Items betreffend körperlicher PMS-Beschwerden wie „Ich habe mehr Kopfweh“, „Meine Brüsten spannen mehr“ oder „Ich fühle mich aufgeblähter“ zusammen. Die Skala umfasst Punktwerte von 0-3, wobei 0=symptomfrei, 1=kaum Symptome, 2=mäßige Symptome und 3=starke Symptome bedeutet. Niedrigere Werte zeigen ein höheres körperliches Wohlbefinden an.

Die Ergebnisse der Erhebung sprechen somit für eine Wirksamkeit des Multimodalen Lauftherapie Programms auf das körperliche und psychsische Wohlbefinden der Probandinnen. Besonders die körperlichen prämenstruellen Beschwerden besserten sich durch die Multimodale Lauftherapie.

Eine Teilnehmende zog nach Abschluss der Studie folgendes Fazit: „Ich denke schon, dass besonders meine Launen sich während der PMS-Zeit verbessert haben. Ich habe kaum noch stark depressive Phasen und das gibt mir natürlich auch mehr Energie im Alltag. Ich nehme meine Sensibilität, beispielsweise was Gerüche und Körpergefühl angeht, besser war, aber nicht im negativen Sinne, ich bin einfach aufmerksamer geworden, vielleicht etwas achtsamer mit mir selbst.“